BIFORA war einer der bedeutendsten deutschen Uhrenhersteller mit Sitz in Gmünd. Ein Verein bewahrt das Erbe als Museum für die ganze Familie.
#071 BIFORA Museum
#071 BIFORA Museum
BIFORA war eine Uhrenmarke mit weltweiter Bekanntheit aus der Gold- und Silberstadt Schwäbisch Gmünd. Der BIFORA Freundeskreis e.V. bewahrt die Geschichte der großen Uhrenmarke und unterhält ein Museum in der alten Bidlingmaier’schen Uhrenfabrik in Schwäbisch Gmünd. Ein Museum, dass die Geschichte der Uhrenindustrie auf der Ostalb lebendig werden lässt und auch für Kinder spannend ist!
Das BIFORA-Werk
Josef Bidlingmaier, Jahrgang 1870, erlernte in Schwäbisch Gmünd das Handwerk des Goldschmiedes und machte sich nach verschiedenen Stationen in der Schweiz, in Pforzheim und den USA mit seinem Bruder und einem Angestellten selbstständig. Es wurden Goldringe für Uhrketten und Glasanhänger für Taschenuhrketten, später auch Gold-Zieharmbänder gefertigt.
Bis zum Ende des 1. Weltkrieges wuchs die Belegschaft auf 60 Mitarbeiter an. Durch rückläufigen Umsatz blieb die Firma auf einem größeren Posten fertiger Armbänder sitzen. Aus der Not heraus entschloss man sich zu den Armbändern auch Gehäuse zu fertigen und sie mit Schweizer Uhrwerken auszustatten – die erste Bidlingmaier-Uhr war geboren!
Die Firma war damit erfolgreich und wuchs ständig, im Jahre 1928 zog man von den zu klein gewordenen Räumen in der Charlottenstraße in das neu gebaute Werk in der Hauffstraße am Bahnhof, wo heute das BIFORA-Museum sitzt.
Zeit & Zeitmessung
Das Museum beginnt seine Erzähl-Reise aber lange bevor der schwäbische Tüftler auf der Ostalb das Licht der Welt erblickte. Es erzählt anhand ausgewählter Exponate die Geschichte der Zeitmessung. Sonnenuhren, Wasseruhren, Öl-, Sand- und Kerzenuhren zeigen die frühen Versuche der Menschheit, die Zeit möglichst exakt zu bestimmen.
Schließlich zeigt man an verschiedenen Uhren die Entwicklung und Minitaturisierung der modernen Räderuhren von der Turm- über die Wand- bis zur Taschenuhr und dann zur Taschenuhr. An laufenden Uhrwerken erlebt man einen ersten Einblick in die faszinierende Mechanik, die auf den ersten Blick völlig unverständlich erscheint.
Firmengeschichte
Im selben Jahr, in dem man in das neue Werk zog, 1928, präsentierte Bidlingmaier das erste selbstproduzierte Uhrwerk. Damit war man unabhängiger von den Schweizer Zulieferern.
Dies war ein großer Meilenstein für die Firma und auch in der deutschen Uhrengeschichte! Das sogenannte Kaliber 2025 war ein Handaufzugwerk, dass über die Krone täglich aufgezogen werden musste. Es war das erste in Deutschland gefertigte Formuhrwerk speziell für Armbanduhren und das erste deutsche Armbanduhrwerk mit Ankerhemmung.
Aus diesen Besonderheiten entstand auch der Firmenname: BIdlingmaier FORmwerk Ankerhemmung. Dieser Name wurde allerdings erst ab 1934 verwendet. Die Fertigungstiefe der Uhren war sehr hoch, fast alle Teile wurden im eigenen Werk in Schwäbisch Gmünd hergestellt, selbst die Lagerrubine. Nur die Federn wurden von einem Zulieferer gekauft. Die Firma J. Bidlingmaier entwickelte sich zu einem führenden deutschen Uhrenhersteller.
Auch während des Krieges ging die Produktion von Armbanduhren weiter, daneben wurden Zeitzünder für Bomben hergestellt, die ebenfalls im Museum bewundert werden können.
Nach dem Krieg, im Jahre 1951, stellte BIFORA das erste deutsche Autmatikuhrwerk, das Kaliber 103 SA, vor. Bei diesen Uhren wird die Feder über die Bewegung am Handgelenk aufgezogen. Die patentrechtlich geschützten „BIMAG-Werke“ entwickelten sich zu einem Verkaufsschlager.
1955 präsentierte man mit UNIMA den ersten Bifora Chronometer. Ein Chronometer ist eine besonders ganggenaue Uhr, die sich nur so nennen darf, wenn sie von einem offiziellen Observatorium nach einem genau festgelegten Messprotokoll geprüft wurde. In der Blütezeit, den 1960er Jahren bis Anfang der 1970er-Jahre beschäftigte BIFORA über 1.000 Mitarbeiter und stellte täglich bis zu 400 Armbanduhren her.
Wer nicht gerade Uhrenliebhaber oder Uhrmacher ist, für den ist dieser Teil der Ausstellung erst einmal recht kompliziert. Unruh, Ankerhemmung, Kaliber, Federhaus -was ist das alles? Dafür gibt es im BIFORA-Museum einen kostelosen Audioguide und sehr engagierte ehrenamtliche Museumsmitarbeiter.
Bei meinem Besuch habe ich den Audioguide irgendwann abgesetzt und mich von einem Mitarbeiter durch die Ausstellung führen lassen, der in den 70ern noch selbst bei BIFORA arbeitete und mir wunderbare Einblicke in die Welt der Uhren gab.
Quarzkrise & Konkurs
In den 1960er-Jahren kam es weltweit zum größten je dagewesenen Umbruch in der Geschichte der Uhrenherstellung: die Quarzuhr kam auf. Diese Uhren hatten keine mechanischen Teile mehr und übertrafen die damaligen mechanischen Uhren in der Ganggenauigkeit um drei Zehnerpotenzen und sie waren unempfindlicher gegen mechanische Einflüsse.
Anfangs waren die Quarzuhren noch sehr teuer, die erste Quarzuhr, die Seiko Astron kostete so viel wie ein Kleinwagen, aber bald überschwemmten billige asiatische Quarzuhren den Markt.
Auch BIFORA baute Quarzwerke, mit der flat-line (siehe Bild) sogar die damals flachste Quarzuhr der Welt, die vom Design her an die noch heute erhältlichen Ceramica des Schweizer Herstellers RADO erinnert.
Gegen die asiatische Übermacht konnte man sich aber nicht erwehren. 1.000 der 1.600 Schweizer Uhrenhersteller verschwanden. Auch die deutsche Uhrenindustrie befand sich im Niedergang. Im Zentrum der DDR-Uhrenindustrie überlebten die Volkseigenen Betriebe (VEB) in Ruhla und Glashütte, „geschützt“ durch den Eisernen Vorhang. Im zweiten deutschen Zentrum der Uhrenindustrie, auf der Alb und im Schwarzwald überlebte nur Junghans dank der Funkuhr diese Krise.
1977 musste BIFORA mit damals 270 Mitarbeitern Konkurs anmelden und die Geschichte der Armbanduhren aus Schwäbisch Gmünd endete vorerst. Doch die Zeiten haben sich geändert und die Zahl der Liebhaber hochwertiger mechanischer Uhren wächst. Inzwischen gibt es auch in Gmünd wieder zwei Uhrenhersteller: Biegert und Funk stellt mit QLOCKTWO hochwertige und moderne Wanduhren her und es gibt wieder eine BIFORA Uhren-Manufaktur GmbH, die in den alten Fabrikgebäuder der BIFORA alte BIFORA-Werke aus Lagerbeständen generalüberholt und in neue Gehäuse einsetzt. Aktuell kann man dort sechs Uhrenmodelle mit Handaufzugwerk Made in Schwäbisch Gmünd kaufen.
Uhrenherstellung
Im Bereich Uhrenherstellung werden alte Maschinen präsentiert und erklärt. Hier macht es besonders Spass mit Zeitzeugen, die selbst an diesen Maschinen saßen zu sprechen und sich die Funktion erklären zu lassen. Besonders beeindruckt hat mich ein Apparat zur Vergrößerung der winzigen Bauteile. Mit aus heutiger Sicht einfacher Mechanik konnte man mit diesem Gerät kleinste Abweichungen in der Fertigung erkennen.
Modellvielfalt
Einen großen Raum nimmt natürlich die Ausstellung der verschiedenen Uhrmodelle von den Anfangstagen der BIFORA bis in die 1970er Jahre ein. Hübsch präsentiert findet man ganz verschiedene Zeitmesser, die in Schwäbisch Gmünd gebaut und in alle Welt exportiert wurden. Die 1972er Olympia-Uhr für die Sommerspiele in München, Taucheruhren, die vom Design an die legendäre Rolex Submariner erinnert und viele weitere!
Eine Taucheruhr von 1978 mit Datumskomplikation, zentraler Sekunde und drehbarer Lünette in einem Design, dass auch heute noch wettbewerbsfähig wäre.
Werbung im Wandel der Zeit
Neu gestaltet wurde ein Bereich zum Marketing der BIFORA. Ich fand es sehr spannend, die Veränderung der Anzeigen über die Jahrzehnte zu studieren. Das Merchandising zu Ereignissen wie der Olympischen Spiele von München oder das Sponsoring von Segelflugzeugen auf dem Hornberg.
Kinderprogramm „Die Zeitreise“
Ein Highlight ist „Die Zeitreise“ ein Programm für Kinder. Das Programm ist für Gruppen und nur nach Voranmeldung möglich. Es eignet sich für Schulklassen oder auch Kindergeburtstage. Als Teil des Programms baut jedes Kind seine eigene mechanische Uhr, die am Ende für 15€ auch erworben werden kann. Die Pendeluhr funktioniert nach dem Zusammenbau und durch das transparente Gehäuse kann man den Zahnrädern bei der Arbeit zusehen.
Wir haben jedenfalls unseren Kindergeburtstag im BIFORA-Museum schon gebucht und unser Großer freut sich schon riesig!
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