#004 Kalter Krieg in Waldstetten

Wir sind auf den Spuren des Kalten Kriegs in Waldstetten. Auf dem Plan stehen 25 ehemals US-amerikanische Bunker auf einer bewaldeten Anhöhe zwischen Waldstetten, Bettringen und Weiler i.d.B. Aber auch die Natur hat den Hang zum Ende des Kalten Krieges geprägt. 1988 rutschte der Hang auf einer Fläche von 11 Hektar ab und riß sogar einen 19x12m großen Bunker mit sich, sodass er schließlich zerbrach. Er und zwei weitere beschädigte Bunker wurden daraufhin gesprengt. Das ehemalige Rutschgebiet steht als „Bergrutschung Tannenwald“ mittlerweile unter Naturschutz. Außerdem besuchen wir ein zweites Naturschutzgebiet, das Lindenfeld oberhalb von Unterbettringen.

Tour-Info

  • Ausdauer 40% 40%
  • Abenteuer 100% 100%
  • Spaß 90% 90%
  • Verpflegung 30% 30%

HINWEIS: Die Bunker dürfen offiziell nicht betreten werden, was vermutlich haftungsrechtliche Gründe hat. Auch wenn sich niemand daran hält, möchte ich niemanden dazu auffordern sich über dieses Verbot hinwegzusetzen.

Was Kinder gefällt

Natürlich die Bunker! Auch das Naturschutzgebiet Lindenfeld und die Amphibien, die man zu dieser Jahreszeit am Hufeisensee findet, sind eine Attraktion – und die spannende Geschichte des Waldstetter Bergrutsches von 1988.

Ideale Witterung

Der Staatswald ist für jedes Wetter gut. Wir sind auch gerne bei Schmuddelwetter da oben unterwegs.

Verpflegung

Im Staatswald findet sich kein Wirtshaus, Rucksackvesper ist angesagt!

An- & Abreise

Start- und Zielpunkt ist der Wanderparkplatz am Abenteuerspielplatz im Almenweg Waldstetten.

GPX-Datei

Eine .gpx-Datei (GPS Exchange Format) ist ein Format zur Speicherung von Geodaten. Diese Datei enthält die Tour-Route und kann in alle gängigen Wander-Apps importiert werden. Ich empfehle die Nutzung von komoot.

Der im Volksmund „Staatswald“ genannte Höhenzug, in offiziellen Karten als Kriegsebene bezeichnet, ist ein Geländerücken, der sich vom Hornberg nach unten abstuft und in das nördliche Albvorland hineinragt. Nach der amerikanischen Besatzung war der Hügel bis in die 1980er Jahre militärisches Sperrgebiet. Die Waldstetter wussten zwar, dass dort etwas geschah, aber nicht was. Lediglich häufige, auch nächtliche, Militärkonvois sorgten für allerlei Spekulationen. Man munkelte, dass die 36 Pershing II-Mittelstrecken-Atomraketen von der Mutlanger Heide teilweise auch in Waldstetten standen.

1988 rutschte dann ein Teil des Hanges in Folge starker Regenfälle ab und zerstörte Wege, Wald, ein Feuchtgebiet und auch Feldscheunen der Waldstetter Bauern.

Bunker 881

Bergrutschung unterer Teil

Wir starten am Abenteuerspielplatz in Waldstetten und wenden uns von dort nach Nordosten, wo es in einem steilen Anstieg ca. 100 Höhenmeter nach oben geht. Es geht durch eine Kleingartensiedlung bis wir am Waldstetter Wasserhochbehälter in den Wald treten. Dort endet die befahrbare Straße und wird zu einem Trampelpfad. 

An dieser Stelle geriet am 16. März 1988 der Hang ins Rutschen. Auf einer Breite von 300m rutschte der Hang auf einer Länge von 400m ca. 20m in die Tiefe. Der Boden bewegte sich dabei bis in eine Tiefe von 10-20 Metern.

Vorausgegangen war diesem Ereignis ein außergewöhnlich nasses Frühjahr. Im Februar hatte es in Waldstetten 95,3L/m² geregnet, im März sogar 227,7L/m²! Einige Tage vor dem Erdrutsch ging ein Starkregen mit fast 40mm Niederschlag nieder, zeitgleich setzte eine rasche Schneeschmelze ein, die dem Hang weiteres Wasser zuführte.

Bergrutschung unterer Teil
Längsschnitt der Hangrutschung Waldstetten

Die gut wasserdurchlässige Eisensandstein-Formation überlagert die Opalinuston-Schicht. Der anhaltende Niederschlag störte das labile Hanggleichgewicht und sorgte dafür, dass sich die Erdmassen am 16. März 1988 in Bewegung setzten.

Wir wandern den ehemaligen „Mittleren Weg“ nach oben, der mehr oder weniger komplett zerstört wurde.

Luftbild Rutschgebiet vorher - nachher

Das Luftbild zeigt das Rutschgebiet vor dem Erdrutsch (links) und danach. Gut zu erkennen der komplett verschwundene mittlere Weg und die großflächig zerstörte Waldfläche im Zentrum Oberhalb des oberen Weges sieht man die helle Abbruchkante.

Vom Gate 1 in den Bunkerwald

Nach 300m haben wir das Rutschgebiet durchschritten und die Straße beginnt von neuem. Wir steigen weiter empor, bis wir am Übergang der Kriegsebene zum Hornberg auf das Tor 1 (Gate 1) zum ehemaligen militärischen Sperrgebiet stoßen. Erkennbar sind hier nur noch einige Betonpfosten mit Maschendrahtzaun. Der aufmerksame Beobachter hat schon auf dem Weg nach oben im Wald, linker Hand, immer wieder Überreste der Sperranlage entdeckt.

Neben den Resten der Sperranlage steht eine Infotafel zu den Bunkern, die wir dem Heimatmuseum Waldstetten unter Leitung des Vorsitzenden Bürgermeister a.D. Rainer Barth zu verdanken haben.

Im Sperrgebiet

Wir laufen nun in das ehemalige Sperrgebiet und treffen nacheinander auf die Bunker 875, 874, 873 und 872. Von den ursprünglich 28 Bunker wurden drei nach dem Erdrutsch gesprengt. Von den verbliebenen 25 Bunkern wurden 6 als Rückzugsort für Fledermäuse zugemauert. 19 Bunker sind zu betreten, wobei hier mindestens einer von den örtlichen Jägern als Unterstellmöglichkeit genutzt wird. Hier gilt: was zu ist bleibt zu! Es gibt genügend frei zugängliche Bunker – und bis auf einen sehen sie alle gleich aus. 19m breit, 12m tief. Vorne eine Rampe mit einer Treppe an der rechten Seite. Ein großes Stahltor und im hinteren Deckenbereich links und rechts jeweils eine Lüftungsklappe, die auch vom Dach aus zu bestaunen ist.

Bericht der Landesschau Baden-Württemberg (SWR) über die Waldstetter Unterwelt mit Alt-Bürgermeister Rainer Barth. Ab 1:19 die Waldstetter Bunker.

Gate 1 Bunkerwald Waldstetten

Gate I mit Infotafel

Bunker 880 Bunkerwald Waldstetten

Bunker 880

Lüftungsklappe auf einem Bunkerdach

Lüftungsklappe auf einem Bunkerdach

Bunker 856 „Gas Chamber“

Der einzige Bunker, der sich von den anderen unterscheidet ist 856, den wir als nächstes besuchen. Dort wo bei den anderen Bunkern das große Tor ist befindet sich eine große Fensteröffnung. Rechts daneben befinden sich zwei Türen. Die linke Tür führt in einen Raum der eine große Fensteröffnung zum Hauptraum hat. Augenscheinlich war dort ehemals eine Scheibe eingebaut, durch die man in den Hauptraum blicken konnte.

Die Lösung

Ich habe lange darüber gerätselt, was es damit auf sich hat. Inzwischen habe ich die Fotografie eines GIs entdeckt die unseren Bunker 856 zeigt und auf die er handschriftlich notiert hat

GAS CHAMBER, 1983-8

WEST GERMANY

„WALDSTTATEN“ FIELD

Herzlichen Dank an Ralf Stumpf und seine Facebook-Seite US Cold War Museum Schwäbisch Gmünd an dieser Stelle!

Bunker 856 "Gas Chamber"
Bunker 856 "Gas Chamber"

Offenbar nutzte die US-Army den Bunker um zu prüfen, ob die GIs ihre ABC-Schutzausrüstung dichtsitzend aufziehen konnten. Ähnliches gab es während meiner Atemschutzausbildung bei der Feuerwehr. Alle Mann aufgerödelt in einen Raum, Tränengas rein, warten. Wer weinend herauskam, hatte „individuellen Förderbedarf“ was das Anlegen der Schutzkleidung betraf.

Dadurch, dass er nicht einfach nur ein großer Raum ist, ist 856 der „spannendste“ Bunker und sollte auf jeden Fall besucht werden.

Auf dem „Gipfel“

Nachdem wir 856 inspiziert haben, folgen wir der Straße und laufen nacheinander an 857, 858 vorbei. Anschließend laufen wir eine Sackgasse links ab zum höchsten Punkt der Kriegsebene, wo sich eine große Freifläche befindet. Ich rätsle noch, was dort geschah. Ein Standort für eine Funkeinheit? Ein Landeplatz für die „Bananenhubschrauber“ Boeing CH-47 Chinook, die ich als Kind immer im Tiefflug über Waldstetten gesehen habe? Gar der Aufstellungsort für die MAN gl Kat 2 mit dem „die Amis“ ihre Pershing II-Raketen spazieren gefahren haben? Oder eine konventionelle Feuerstellung? Ich bleibe dran und habe schon eine Idee, wer mich hier mit weiteren Informationen versorgen kann. Es wird noch einen Ausflugstipp dazu geben!

Bunker-Runde

Bis dahin sinnieren wir weiter nach, was die US Army hier oben angestellt haben mag und drehen dann um, um die Bunker 859, 860, 861, 862, 863, 864, 865, 866, 867 und 869 zu besuchen. Vor Bunker 870 biegen wir rechts ab und laufen eine Zeitlang durch einen „bunkerfreien Wald“, bevor wir rechter Hand auf 882 stoßen. Wir wenden uns nach links und treffen auf 881 und 880 bevor uns eine Schranke den Weg versperrt.

Bunker 856 "Gas Chamber"
Bunker 856 "Gas Chamber"

Bergrutschung oberer Teil

Die Schranke ist der Beginn des Rutschgebiets, dieses mal sind wir auf dem „Oberen Weg“, direkt unter der Abbruchkante. Zunächst laufen wir auf dem Trampelpfad noch nicht durch das Hauptfeld des Erdrutsches und umrunden die Hügelkuppe. Am Ende der Kurve beginnt linker Hand die Abbruchkante. Rechts von unserem Pfad fällt die Abbruchkante stellenweise fast senkrecht über 15-20 ab. An einer Stelle hat der Erdrutsch große Formationen des vorliegenden Eisensandsteins freigelegt, die zum Kraxeln einladen.

Kindheitserinnerungen

Am Ende des Rutschgebietes sieht man die Abbruchkante deutlich. Man muss zwei Meter fast senkrecht nach oben steigen und plötzlich ist da wieder eine Straße vor uns.

Ich erinnere mich noch genau, wie ich im März 88 mit meinem Vater mit dem Schlepper hier heraufgefahren bin. Als Gemeinderat war mein Vater um die Wasserversorgung der Gemeinde Waldstetten besorgt. Der Wasserhochbehälter der Gemeinde liegt nur knapp außerhalb des Rutschgebietes am Mittleren Weg. 

Gefühlt hatte sich der halbe Ort dort oben versammelt. Zumindest die Alteingesessenen, die Bauern, deren Scheuern bedroht waren, und die Gemeinderäte hatten sich eingefunden. Abends waren wir in der Tagesschau.

Braunjuraformation im oberen Teil des Rutschgebietes an der Abrisskante

Freiliegende Felsformationen des Braunjura an der Abbruchkante. Im Sommer sind sie etwas hinter dem Bewuchs versteckt, ich habe auf Komoot ein „Highlight“ dazu angelegt.

Abbruchkante am oberen Weg

Hier stand ich 1988 als kleiner Bub neben meinem Vater. Die damals noch asphaltierte Straße war einfach abgebrochen. Die Abbruchkante ist noch sehr gut zu erkennen.

Gate II

Wenn wir weiterlaufen sehen wir links den Bunker 876, dann treffen wir auf die Überreste einer Toranlage, das Gate 2 des ehemaligen Sperrgebiets. 

Wir laufen einige „bunkerfreie“ Straßen zurück zur Sackgasse, die auf den Gipfel führt, laufen dieses Mal aber an 858 gerade vorbei, bis wir auf einer T-Kreuzung auf 866 treffen, den letzten Bunker des heutigen Tages.

Überreste von Gate 2

Abstieg zum Lindenfeld

Wir überqueren die T-Kreuzung geradeaus und finden auf der gegenüberliegenden Seite einen Trampelpfad, der uns in den Wald hinein führt. Nach wenigen Metern geht es steil durch den Wald bergab. Die Kinder haben einen Riesenspaß und die Waschmaschine freut sich auf Überstunden.

Wir überqueren auf halber Höhe einen geschotterten Platz, laufen auf der anderen Seite wieder in den Wald hinein und folgen dem Trampelpfad weiter, der uns nun sanft bergab führt. 

Abstieg zum Lindenfeld

Naturschutzgebiet

Wenn wir unten aus dem Wald treten, überblicken wir das Naturschutzgebiet Lindenfeld. Unten im Tal liegt Bettringen vor uns, links dahinter Gmünd, ganz links erhaschen wir die die ersten Häuser von Waldstetten. Das Lindenfeld ist eine Mischung aus mageren Heideflächen mit Feuchtbiotopen, die die Ketten amerikanischer Panzer bis in die 80er Jahre „angelegt“ haben. Eine herrliche Landschaft mit weitem Blick hinein ins Albvorland und auf den Schwäbisch-Fränkischen Wald.

Wir durchwandern das Lindenfeld talwärts bis zu den ersten Häusern von Bettringen, am Feldkreuz am Ortsrand biegen wir auf den geschotterten Feldweg ein und wenden uns Waldstetten zu. Schließlich geht es über einen Trampelpfad zurück und auf einer Asphaltstraße noch ein kurzes Stück in den Staatswald hinein.

Naturschutzgebiet Lindenfeld
Naturschutzgebiet Lindenfeld

Hufeisensee

Im Staatswald machen wir noch einen kleinen Abstecher und laufen an der ersten T-Kreuzung nach links, wo wir nach wenigen Metern einen kleinen See, den Hufeisensee erreichen.

Schon in meiner Jugend haben wir Kinder unserer Grundschullehrerin damals gezeigt, wo man die Molche von ihren Bildern in echt trifft und wie man sie fängt.

Der Hufeisensee ist ein tolles Refugium für allerlei Amphibien. Neben Molchen kann man dort Frösche, Kröten und Unken beobachten, die Eidechsen und der Salamander bevorzugen eher die sonnigen Plätzchen weiter unten im Lindenfeld.

Zu dieser Jahreszeit beginnt der See zu leben, und man findet riesige Schwärme Laich und Kaulquappen.

In den letzten Jahren sah man im See auch immer wieder einen Schwarm ausgesetzter riesiger Goldfische, die die heimische Fischwelt im See „bereichern“.

Nachdem wir alles erkundet haben laufen wir am Waldrand entlang zurück zum Ausgangspunkt in Waldstetten.

Hufeisensee

Fazit

Abenteuer pur! Die Bunker ziehen bei meinen Kindern immer, und auch Regen tut dem Spaß an der Tour keinen Abbruch. Wir sind gerne hier oben im Staatswald unterwegs und entdecken jedes Mal etwas neues.

Bunkertür
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3 Kommentare

3 Kommentare

  1. Ralf Stumpf

    Klasse Geschrieben und Beschrieben. Beste Grüße vom US Cold War Museum das genau über diese Plätze sind.

    Antworten
  2. Jenna

    Wir haben die Tour letzten Herbst gemacht und die Kinder hatten ihren Spaß dabei, die Bunker zu entdecken.

    Antworten

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