#042 Heimatmuseum Waldstetten
Das Heimatmuseum Waldstetten ist ein Sammelsurium der Heimatgeschichte. Es werden große Geschichten erzählt im Museum, aber aus der Sicht von unten. Das bietet spannende Perspektiven aus Handwerk, Industrie, Krieg und Verfolgung aber auch Archäologie. Der Ausflugstipp der Woche führt uns nach Waldstetten!
Das Museum ist jeden 1. und 3. Sonntag des Monats von 14 bis 17 Uhr geöffnet, es ist kostenlos, um eine Spende wird gebeten.
Wäldenbauers Haus
Das Museum war der Herzenswunsch des Waldstetter Alt-Bürgermeisters Rainer Barth. In der letzten Legislaturperiode seiner langjährigen Amtszeit gründete er mit anderen Waldstettern 1995 den Heimatverein Waldstetten / Wißgoldingen mit dem Ziel das Natur- und Kulturerbe der Gemeinde zu bewahren und letztlich auch ein Heimatmuseum zu eröffnen.
Fünf Jahre später, im Jahr 2000, kaufte man „Wäldenbauers Haus“. Die vorigen Besitzer hießen nicht wirklich Wäldenbauer, vielmehr handelt es sich um einen Hausnamen wie es sie in Waldstetten noch viele gibt. Die Kenntnis der Hausnamen zieht die Grenze zwischen denen, die dazugehören im Ort und den Rei’gschmeckten (Zugezogenen). Erst wer weiß, wer der Schuhbauer, der Gallabauer oder der Broidakapper ist, ist wirklich angekommen.
Aber zurück zum Museum: es zeigte sich, dass das Haus nicht zu renovieren war, so wurde es 2001 abgebrochen, neu aufgebaut und schließlich 2007 als Museum eröffnet.
Das Museum
Das Museum beherbergt eine Dauerausstellung mit den sieben Themenbereichen Perlenstickerei, Beindreherei, Pfeifenmacherei, Sakrales & Volksfrömmigkeit, Erd- & Urgeschichte, Ortsgeschichte und Zeitgeschichte.
Daneben gibt es wechselnde Sonderausstellungen in zwei Räumen. Als Uhrenliebhaber denke ich gerne an die Ausstellung über die Gmünder Uhrenmanufaktur BIFORA zurück, als Ostalbwanderer waren die Sonderausstellungen zu Waldstetten als ehemals überregional bedeutsames Skizentrum, zur Geschichte des Segelfluges auf dem Hornberg und die Sonderausstellung zu den Bunkern im Staatswald besonders spannend.
Blick aus dem Museumsfenster auf St. Laurentius
Archäologie & Frühgeschichte
Waldstetten liegt an der Albnordrand-Verwerfung, die genau zwischen dem (aktuell abgerissenene) Rathaus und der St. Laurentiuskirche verläuft (Schwäbisches Lineament). Dort, wo ich aufgewachsen bin findet, auf den Schlattfeldern oberhalb Waldstettens findet man unzählige Fossilien und 2015 fand man dort eine 15.000 Jahre alte Frauenskulptur, ein rares Kunstwerk aus der Eiszeit.
Die Fossilien von Waldstetten sind für mich eng mit dem Namen von Josef Rothgerber. Der inzwischen verstorbene Hobbygeologe hatte im Keller seines Hauses, dass unweit meines Elternhauses stand, unzählige Fossilien gesammelt und präpariert. Es gab keine Baugrube in der Gegend, in der er nicht auf der Suche nach neuen Funden war. Es war für uns als Kinder das Größte, wenn wir seine Sammlung besichtigen durften!
Inzwischen sind Teile der Sammlung im Heimatmuseum der Öffentlichkeit zugänglich, für Kinder sicher der spannendste Teil des Museumsbesuches.
Die geologische Sammlung
Handwerkskunst
Waldstetten lebte, wie weite Teile der Alb von der Textilindustrie. In meiner Jugend stand an der Straßdorfer Straße noch die „Schnäddre“, das ehemalige Werk des Heubacher Wäscheherstellers Triumph. Darüber hinaus gab es aber, zumindest aus heutiger Sicht exotischeres, für das Waldstetten berühmt war. Die Boi-Dreher („Boiner“ schwäbisch für Knochen), fertigten aus Rinderknochen filigrane Kunstwerke an, die man im Museum bewundern kann.
Ab 1817 kam die Perlenstickerei auf, Frauen und Kinder strickten in Heimarbeit aus winzigen Perlen Taschen und Täschchen die bis in die Niederlande und die USA exportiert wurden. Die Technik brachte man Kindern eigens in Kinder-Industrie-Anstalten bei.
Daneben widmet sich ein Teil der Ausstellung auch der Pfeifenmacherei, die ein wichtiges Standbein der heimischen Wirtschaft wurde, als das Tabakrauchen in Mode kam.
Werkstatt eines Beindrehers
Sakrales und Volksfrömmigkeit
Waldstetten war bis die Flüchtlinge 1945 kamen streng katholisch. Der Ausstellungsteil zeigt Objekte aus diesem Zusammenhang. So gab es in Waldstetten wie an vielen anderen Orten eine Rosenkranz-Bruderschaft, die gemeinsam täglich den Rosenkranz betete. Einzigartig ist, dass die Rosenkranzbruderschaft 15 Täfeles-Männer hatte, die an Fronleichnam und anderen Prozessionen 15 Blechtafeln vor der Prozession hertrugen.
Angesehene Bürger der Gemeinde waren es, die in Frack und Zylinder ihr Amt versahen und beim Tod eines Mit-Bruders einen Nachfolger wählten. Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts verstarb der letzte Täfeles-Mann, Johannes Abele, der „Herz-Jesu-Beck“. Auch diese Geschichte erzählt das Heimatmuseum. Ebenso existierte in Waldstetten die letzte Rosenkranz-Fabrik Baden-Württembergs. Zu meiner Erstkommunion durfte ich mir dort noch einen Rosenkranz aussuchen, den meine Großtante dann beim Chef und letztem gelernten Rosenkranzmacher Württembers, Thomas Albrecht, erwarb.
Statuen, Rosenkränze und Devotionalien, made in Waldstetten.
Orts- und Zeitgeschichte
Es sind die vielen kleinen Geschichten, die das Museum ausmachen. Dabei ist es gleich, ob man selbst aus Waldstetten kommt. Wie Waldstetten als Bauern- und Handwerksdorf im 19. Jahrhundert aussah, oder wie es die Flüchtlinge nach dem Krieg erlebte ist für einen Bettringer oder Heubacher genauso spannend!
Ich würde mit Kindern für den Besuch eine Stunde einplanen, ohne Kinder etwas mehr. Danach einkehren im Museums-Café und vielleicht noch eine Runde durch Waldstetten laufen. Das Museum ist einen Besuch wert!
Statuen, Rosenkränze und Devotionalien, made in Waldstetten.
Wirst Du das Waldstetter Heimatmuseum besuchen? Was hältst du davon, dass es hier nicht nur die klassischen Wanderungen sondern Ausflugstipps gibt? Schreib es in die Kommentare!
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