Warum steht hier ein Berg?
Die Jahrmillionen haben unsere Heimat geprägt und zu dem gemacht was sie ist. Hier beschreibe ich die Entstehungsgeschichte der Ostalb und die Entstehungsgeschichte des Südwestdeutschen Schichtstufenlandes.
250 Millionen Jahre Ostalb
Warum steht hier ein Berg? Warum ist unsere Heimat so schön, wie sie ist? Mit den Bergen, Höhlen, mit ihren Schluchten, Klingen und Tälern? Die Entstehung des Südwestdeutschen Schichtstufenlandes ist ein komplexer und spannender Vorgang, der sich über Jahrmillionen hinzog. In diesem Artikel erkläre ich die Zusammenhänge.
Bevor wir aber zum eigentlichen Thema kommen will ich einen kurzen Überblick über unseren Naturraum geben. „Naturräume“ sind der Versuch, die Erde in natürliche, zusammenhängende Bereiche einzuteilen, losgelöst von menschgezogenen Grenzen.
Naturräume
Die Naturräume in Deutschland werden nach dem Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutschlands eingeteilt. Die Einteilung erfolgt in Großregionen, Haupteinheitengruppen, Haupteinheiten und Untereinheiten.
Unsere Heimat gehört zur Großregion 2. Ordnung „Südwestdeutsches Schichtstufenland“, diese wiederum ist Teil der Großregion 1. Ordnung „Mittelgebirge“.
Naturräume in Baden Württemberg (Meynen, Schmithüsen et. al. Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutschlands)
Das Südwestdeutsche Schichtstufenland umfasst dabei einen großen Teil Süddeutschlands vom Oberrheintal bis zum Oberpfälzischen Hügelland. Zur weiteren Unterteilung hat man die Naturräume in Haupteinheitengruppen und dann in Haupteinheiten eingeteilt. Wir liegen genau an der Grenze zweier Haupteinheitengruppen. Die Haupteinheitengruppe „09 Schwäbischen Alb“ mit der Haupteinheit „096 Albbuch und Härtsfeld“ (z.B. das Kalte Feld) im Süden. Die Haupteinheitengruppe „10 Schwäbisches Keuper-Lias-Land“ mit den Haupteinheiten „102 Vorland der östlichen schwäbischen Alb“ (Göppingen, Aalen, Bopfingen), „107 Schurwald und Welzheimer Wald“ (Schwäbisch Gmünd, Schorndorf) und „108 Schwäbisch Fränkische Waldberge“ (Ellwanger Berge, Limpurger Berge, Murrhardter Berge bis ins Weinsberger Tal).
Gliederung der Ostalb
Das hört sich zuerst einmal kompliziert an, macht unsere Heimat aber so vielfältig und die Entdeckungsreise so spannend!
Naturräumliche Gliederung der Ostalb
Haupteinheiten
Die Unterteilung in Haupteinheiten erfolgt dabei anhand der Schichtstufe, also dem vorliegenden Gestein:
- Schurwald und Welzheimer Wald (Keuper)
- Schwäbisch-Fränkische Waldberge (Keuper)
- Vorland der östlichen Schwäbischen Alb (= Schwarzer Jura „Lias“ und Brauner Jura)
- Albuch und Härtsfeld (Weißer Jura)
In Schwäbisch Gmünd haben wir daher das Glück, dass wir auf engem Raum vier Gesteinsarten vorliegen haben, vom Tal auf den Berg den Keuper, den Schwarzen, Braunen und Weißen Jura. Um zu verstehen warum das so ist, und warum hier ein Berg ist, muss man ein wenig zurückgehen. Ungefähr 350 Millionen Jahre.
Südwestdeutsches Schichtstufenland
Entstehung der Schichten
Vor 350 Millionen Jahren, während des Erdaltertums (Paläozoikum) bildete sich ein Becken, das von Schwellen und Gebirgszügen umgeben war. Vor 250 Millionen Jahren, während des Erdmittelalters (Mesozoikum), war dieses Becken, und damit unsere Heimat, ein großes überflutetes Becken, das „Germanische Becken“, dass seit 1999 politisch korrekt „Mitteleuropäisches Becken“ genannt wird, da es sich von England bis an die Ostgrenze Polens erstreckte.
Dieser „Ozean“ war Sedimentationsgebiet, organische und anorganische Schwebstoffe im Wasser lagerten sich über den unvorstellbaren Zeitraum von 100 Millionen Jahren in unserer Gegend ab. An manchen Stellen des Germanischen Beckens sind diese abgelagerten Schichten bis zu 2000m mächtig.
Trias & Jura
In der Trias, beginnend vor etwa 235 Millionen Jahren, lagerten sich die Sedimente ab, die wir heute als Keuper kennen und die heute z.B. den Welzheimer Wald bilden. Im folgenden Zeitalter, dem Jura (200 Mio Jahre – 145 Mio Jahre), fiel das Germanische Becken abwechselnd trocken und wurde überflutet, wobei abwechselnd kontinentale und marine Ablagerungen entstanden. In dieser Zeit entstanden die Schichten des Schwarzen, Braunen und Weißen Jura, die sich über den Keuperschichten lagerten. Heute benennt man diese Schichten als Unter-, Mittlerer und Oberjura, ich bleibe aber bei den althergebrachten Bezeichnungen die sich im Volksmund verankert haben. In diesen Gesteinsschichten finden sich viele Fossilien, die einen eigenen Artikel wert sind. Eine weltbekannte Fundstätte ist Holzmaden bei Kirchheim unter Teck. Das dortige Urweltmuseum Hauff ist definitiv einen Besuch und ebenfalls einen eigenen Beitrag wert!
Der Seldelfelsen bei Heubach
Der Seldelfelsen bei Heubach
Auffaltung des Rheingrabens und Entstehung des Schichtstufenlandes (Quelle: Wikipedia CC-BY)
Bildung der Schichtstufen
Nachdem sich nun über gut 100 Millionen Jahre allerhand Material in Schichten auf der Ostalb abgelagert hatte, lagen diese Ablagerungen in ihren Schichten viele Millionen Jahre da. Aus organischem und anorganischem Material wurde Stein. Die vielen versteinerten Fossilen, die in diesen Schichten versteinerten, machen die Beschäftigung mit dem Boden auf dem wir leben besonders spannend.
Erdneuzeit – Känozonikum
Wir machen nun einen Sprung in Richtung Gegenwart und finden uns im Neogen wieder, circa 50-20 Millionen Jahre vor unserer Zeit. Das Neogen ist ein Abschnitt des Känozonikum, der Erdneuzeit.
Eine bittere Wahrheit, aber sie muss ausgesprochen werden: unsere schönen Berge wurden von Baden aus erschaffen. (Solange der VfB in der Tabelle vor dem KSC steht, sei unseren badischen Freunden dieses Meisterstück von vor 30 Millionen Jahren aber gegönnt).
Oberrheingraben
Die genaue Entstehung ist immer noch Gegenstand der Forschung, aktueller Stand ist aber, dass aufgrund von Zugspannungen in Erdkruste und Erdmantel im Bereich des Oberrheins ein Graben entstand. Nicht das was wir heute als Rheintal kennen, sondern ein richtiger Graben. Die Erdkruste wurde in diesem Bereich um 6-8km gedehnt. Die Erdoberfläche wurde bis in eine Tiefe von vier Kilometern aufgerissen (!), der Riss füllte sich im Laufe der Zeit mit Sedimenten. Die Gebiete westlich des Oberrheingrabens verschoben sich relativ zu den linksrheinischen Gebieten um über fünf Kilometer.
Auffaltung
Im Zuge der Entstehung des Oberrheingrabens wurde das Gebiet links und rechts des Oberrheins angehoben und es entstand die heutige Geländeformation, die natürlich im Laufe der letzten 20 Millionen Jahre der Erosion und anderen Prozessen unterworfen war und am Ende kam eine sehr, sehr geile Gegend heraus: unsere Ostalb.
Durch diesen Effekt des Auffaltens vom Rheingraben her erhielt die Schwäbische Alb ihre Charakteristik: auf unserer Seite, an der Bruchkante, einen relativ steilen Anstieg und dann eine langsame Abflachung auf die gegenüberliegende Seite zur Donau hin. Auf der französischen Seite des Rheins passierte dasselbe und die Vogesen und das nordfranzösische Schichtstufenland entstanden.
Erosion
Ursprünglich war der Anstieg weitaus steiler, aber die Erosion hat über die Millionen von Jahren am Albrand genagt. Die „Zeugenberge“ Stuifen, Hohenstaufen, Rechberg, das Kalte Feld und der Ipf waren ursprünglich Teil des Hauptkammes der Schwäbischen Alb, sie wurden durch die Erosion herausgetrennt. Dem Rosenstein, der noch mit dem Albhauptkamm verbunden ist droht in ein paar Millionen Jahren ein ähnliches Schicksal.
Lineament & Verwitterung
Diese Erosion hat uns viele zusätzliche Ausflugsziele beschert. Einen Felssturz vom Hohenstaufen kennen wir heute als Spielburg. Ein Abbruch und Zusammensacken der Schichten quer durch die Region, das sogenannte Schwäbische Lineament, trennte auf dem Rechberg den Nebengipfel mit der Ruine vom Hauptgipfel mit der Kirche.
Die Höhlen am Rosenstein sind das Ergebnis von Millionen Jahren von Verwitterung, ebenso die beeindruckenden Klingen im Albvorland wie die Teufelsklinge.
Unbekannter Künstler, Zeichnung im Gastraum des Franz-Keller-Hauses (nachgezeichnet zur besseren Lesbarkeit)
Eine sehr gelungene Darstellung der Schichtstufen hängt auf dem Franz-Keller-Haus (siehe Bild). Gut zu erkennen ist, warum die Alb bei uns steil ansteigt und dann zur Donau hin flach abfällt. Die einzelnen Schichtstufen sind 2-4% aufgestellt.
Links unten im Bild sieht man einen Bruch in den Schichtstufen, das Schwäbische Lineament. In der Realität kann man das gut in Waldstetten sehen. Während die Kirche auf dem höheren nordwestlichen, albabgewandten, Teil trohnt, liegt das Rathaus auf dem tieferen Teil Richtung Schwäbische Alb. Auch am Rechberg ist es gut zu sehen, die Ruine trohnt direkt an der Abbruchkante, der eigentliche Berg auf der anderen Seite.
Ebenfalls gut zu sehen: härtere Schichten bilden steile Abbruchkanten mit darauffolgenden Verebnungsflächen, das klassische Bild der Landschaft auf der Ostalb.
Geologische Schichten der Ostalb
Gut zu erkennen ist, dass Schwäbisch Gmünd im Trias liegt, auf Höhe von Waldstetten der Schwarze Jura endet, darüber bis Tannweiler der braune Jura und darüber der Weiße Jura ansteht. Jede dieser Schichten besteht wiederum aus Unterschichten. Die Benennung der Schichten ist für den Laien schwer zu verstehen. Ober-, Mittel- und Unterjura hießen früher schwarzer, brauner und weißer Jura. Dazu kommt, dass man häufig noch die von Oppel eingeführten Begriffe Lias, Dogger, Malm verwendet werden.
Die einzelnen Schichten unterteilen sich in Stufen die moderne Namen haben, aber auch die nicht mehr wissenschaftlich gebräuchlichen Begriffe von Quenstedt werden noch verwendet. Dann kann man Gesteinsstufen noch räumlich trennen (Lithographie) oder nach dem Vorkommen der darin enthaltenen Fossilien (Biostratigraphie). Alles Klar? Damit ihr mit den verschiedenen Bezeichnungen klar kommt habe ich versucht sie in einer Tabelle zusammenzufassen. In Wahrheit ist es noch ein bisschen komplizierter, aber die Tabelle enthält die gängigsten Bezeichnungen in vereinfachter Zusammenfassung:
Erklärung zur Tabelle
Wenn jemand von Aalenium spricht, meint er damit eine chronostratigraphische Stufen des Mitteljura (benannt nach der Stadt Aalen). Chronostratigraphie gliedert Gesteinskörper nach dem Alter ihrer Entstehung. Wir reden also von einem Gestein, dass vor 170 bis 174 Millionen Jahren entstanden ist.
Aalenium ist dabei die älteste von vier chronostratigraphische Stufen des Mitteljura (früher: brauner Jura).
Lithostragraphie
Die Lithostragraphie gliedert Gesteinseinheiten nach chemischen und physikalischen Beschaffenheiten und unterteilt Gesteine, die im Zeitalter Aalenium entstanden sind in ältere Opalinuston-Formationen und jüngere Eisensandstein-Formationen.
Biostratigraphie
Auf den Tübinger Professor Friedrich August von Quendstedt (1809-1889) und seinen Schüler Albert Oppel geht die biostratigraphische Gliederung der Schwäbischen Alb zurück, die bis in die 70er Jahre gültig war und dann von einem internationalen System abgelöst wurde.
In der Biostratigraphie teilt man Schichten anhand von Leitfossilien ein. Man nutzt dazu Fossilien, die in einem möglichst scharf umgrenzten Raum und möglichst häufig vorkommen um ein Gestein einer Stufe zuzuordnen.
Von Quendstedt nutzte das von Alexander von Humboldt vorgeschlagene Jura-System (Unterer, Mittlerer, Oberjura). Sein Schüler Oppel nutzte hingegen Lias, Dogger, Malm. Aufgrund der Farbe der Gesteine setzte sich zusätzlich die Begriffe Schwarzer, Brauner, Weißer Jura durch.
Beide unterteilten die drei Hauptstufen in Unterstufen, populär war die Benennung von Quendstedt mit jeweils sechs Untergruppen alpha bis zeta.
Wenn du das verstanden hast, weißt du zukünftig, dass Dogger alpha, Braunjura alpha, Eisensandstein-Formation und Aalenium ein und denselben Stein bezeichnen können.
Welches geologische Phänomen gefällt Euch besonders? Die Höhlen? Die Fossilien? Etwas ganz anderes? Schreibt es in die Kommentare!
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